Neuer Technologie-Superzyklus verändert die Regeln der Wirtschaft

Beatrix Lang

11. Januar 2025

Die Konvergenz von KI, hochentwickelten Sensoren und Bioingenieurwissenschaft treibt die Produktivität in ungeahnte Höhen.

 Gastbeitrag von Amy Webb auf Xing am 06.01.2025

​Die Autorin: Amy Webb schrieb mehrere Bücher über Technologie und die Zukunft, darunter den Bestseller „The Signals Are Talking“.

New York. Kürzlich geschah etwas sehr Ungewöhnliches mit der Produktivitätsstatistik: Im August 2024 vermeldete das amerikanische Bureau of Labor Statistics ein Produktivitätswachstum von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das liegt deutlich über dem Durchschnitt von 1,5 Prozent des letzten Jahrzehnts und der Wachstumsrate von einem Prozent in Europa.

Der Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve, Jerome Powell, stellte heraus, was das bedeutet. Wenn man den Zinseszinseffekt miteinrechne, sei „der Effekt nach 40 Jahren in Bezug auf Einkommen und Lebensstandard einfach enorm“.

Der Produktivitätsanstieg könnte das Bruttoinlandsprodukt in den USA bis 2030 erheblich antreiben aufgrund von Faktoren wie der Steigerung der menschlichen Intelligenz, erhöhter Innovation und der Substitution von Arbeit durch Maschinen.

Ein neuer Technologie-Superzyklus

Wirtschaftswissenschaftler haben den stetigen Produktivitätsanstieg auf Inflation, Arbeitskräftemangel, sinkende Löhne, Entlassungen und Automatisierung zurückgeführt. Spekuliert wurde auch über die Auswirkungen der generativen Künstlichen Intelligenz (KI).

Einige Experten erwarten im nächsten Jahrzehnt große Produktivitätssteigerungen auf Grundlage vielversprechender Experimente mit KI-Agenten, die Mitarbeiter in Callcentern unterstützen.

Das Future Today Institute hat eine Theorie, die erklären könnte, was hier vor sich geht. Wir nennen es einen Technologie-Superzyklus. In der Wirtschaft bezeichnet ein Superzyklus eine Periode nachhaltigen starken Wirtschaftswachstums, das sich im Bruttoinlandsprodukt, den Vermögenspreisen, der Beschäftigung und der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen niederschlägt.

In der Vergangenheit fanden Allzwecktechnologien wie Dampfkraft und Elektrizität Anwendung in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der Gesellschaft. Sie führten zu weitreichenden Veränderungen der Produktivität und sozialer Strukturen. Diese Technologien ermöglichten letztlich neue Entwicklungen und Industrien, die über ihre ursprüngliche Ausrichtung hinausgingen.

     

    Im Gegensatz zu früheren Zyklen des technologischen Fortschritts, die eher linear verliefen, zeigen unsere Untersuchungen, dass dieser Superzyklus exponentieller Natur ist. Der letzte langfristige Boom, der dem gegenwärtigen ähnelt, begann 1982 und hielt bis 2001 an – mit einigen temporären Aussetzern.

    Konvergenz von drei überragenden Technologien

    Wir sehen jetzt Anzeichen dafür, dass uns tiefgreifende Verwerfungen und ein Hyperwachstum erwarten, und zwar als Ergebnis des Zusammentreffens von nicht nur einer, sondern drei Allzwecktechnologien: Künstlicher Intelligenz, hochentwickelten Sensoren und Bioingenieurwissenschaften. Dieser entstehende Technologie-Superzyklus bringt diese richtungsweisenden Technologien zusammen, die die Welt auf weitreichende und unvorhersehbare Weise umgestalten werden.

    Das Zusammenspiel und die Überlappungen dieser Technologien werden sich gegenseitig verstärken und die Welt in eine Zeit technologischer Umwälzung führen.

       

      Infolgedessen werden Wirtschaftsmodelle, Arbeitskräftestrukturen und geopolitische Machtdynamiken nicht unterbrochen, sondern grundlegend verändert. Neue Technologien und ihre Konvergenz werden ganze Sektoren fundamental umgestalten, was zum Zusammenbruch älterer Systeme und zum Entstehen neuer Strukturen führt.

      Die Konvergenz dieser drei Allzwecktechnologien führt zu einer mächtigen neuen Kraft, die wir „lebendige Intelligenz“ nennen. Lebendige Intelligenz setzt sich aus sich überschneidenden Technologiesträngen zusammen, von denen jeder einzelne kaum zu übersehende Warnsignale für einen grundlegenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel aussendet.

      Risikokapital und Forschung als Frühindikatoren

      Die Konvergenz von KI, fortgeschrittenen Sensoren und generativer Biologie rückt in den Mittelpunkt. Die Hinweise mögen subtil sein, aber sie lassen sich an Investitionen, Patenten und Ausgaben für Forschung und Entwicklung ablesen. Ausgaben allein garantieren noch keine Innovation.

         

        Ein Schlüsselindikator sind die Einnahmen, die diese Investitionen und Technologien erbringen werden, wenn sie in naher Zukunft ausgereift sind und sich zu verbreiten beginnen. Bis dahin verlassen wir uns auf die subtileren Daten wie Investitionen und frühe Forschungsarbeiten. Diese Konvergenz führt bereits zu einer erheblichen Verlagerung des Risikokapitals und der Unternehmensausgaben in allen Branchen.

         

         

        Diese Investitionen sind Teil einer umfassenderen technologischen Konvergenz, die die neue Ära lebendiger Intelligenz einläutet. In diesem Zeitalter, in dem Durchbrüche in der Künstlichen Intelligenz die Fähigkeiten von Sensoren und Biotechnologien verbessern, wird sich ein sich selbst verstärkender Innovationszyklus entwickeln. Dieser Dreiklang von Technologien bewirkt einen Schwungradeffekt, bei dem jeder Fortschritt neue Entdeckungen und Anwendungen antreibt und das Innovationstempo insgesamt beschleunigt.

        Einige Branchen sind Vorreiter

        Das Zeitalter der lebendigen Intelligenz wird neue Märkte und Wert für Verbraucher schaffen. Der Schwungradeffekt wird die Ausgaben der Konsumenten erhöhen, was wiederum mehr Investitionen anziehen wird. Dieser Zustrom von Finanzmitteln wird Topfachkräfte anlocken, die weitere Innovationen vorantreiben.

        Mit der Zeit wird dieser Kreislauf der neuen Technologien den Verbrauchern einen größeren Nutzen bringen, was wiederum zu noch mehr Ausgaben führt und den Kreislauf in Gang hält. Netzwerkeffekte, bei denen der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung steigt, je mehr Nutzer es annehmen, sind in technologiebasierten Branchen besonders stark ausgeprägt.

         

         

        Die Anzeichen für eine Konvergenz der Technologien der lebendigen Intelligenz sind bereits in mehreren führenden Branchen zu sehen. Am deutlichsten ist sie in der Pharmazeutik, bei Medizinprodukten, im Gesundheitswesen, in der Raumfahrt, im Bauwesen und in der Technik sowie bei Konsumgütern und in der Landwirtschaft zu beobachten. Aber auch in anderen Branchen werden bald Anwendungen entstehen. Wenn immer mehr auf den Zug aufspringen, wird sich die Innovation zunehmend verbreiten und einen zusätzlichen Schwungradeffekt auslösen, auch in Deutschland.

        Lebendige Intelligenz mag wie eine futuristische Idee erscheinen. Aber vorausschauende CEOs und Unternehmensleiter können es sich nicht leisten abzuwarten. Die Anzeichen für eine Konvergenz der Living-Intelligence-Technologien sind nicht mehr zu übersehen.

        Amy Webb ist die Gründerin der amerikanischen Beratungsgesellschaft Future Today Institute.